Blumengedichte

"Wohin wir uns wenden im Gewitter der Rosen" (Ingeborg Bachmann)

26. März 2020 | Schreibnacht online

Blumengedichte sollen die Sinne wecken. Farbe und Duft spielen dabei eine wichtige Rolle. Günter Eich zeigt die Wirkung, die der Mohn mit dem "laute[n] Rot in den Beeten“ auslöst. Für Hermann Hesse wird die Enzianblüte zu einem besonderen Gefäß: "Der Himmel scheint in deinen Kelch versunken".

Blumen erinnern ebenso an die Schöpfungskräfte, die diese Pracht jedes Jahr aufs Neue hervorbringen. "Über den Gartenzaun schob sie / Ihr gelbes Löwenhaupt." Was hier voll Kraft vorwärtsdrängt, ist bei Georg Britting die Sonnenblume. "Standhaft" erweist sich dagegen Rose Ausländers "rote Azalee“.

Dass die Poesie mitunter als Sprache der Elfen und Naturwesen gilt, lässt sich gerade in der Aufbruchsstimmung des Frühjahrs leicht(er) nachvollziehen.

Das Wesen der Blumen entdecken

Blumengedichte zu schreiben, bedeutet daher in diesem Frühlingsreigen, "hinter die Kulissen" zu schauen.
Welche Bezüge bis hinauf in Planetenbahnen und Sternkonstellationen lassen sich bei einzelnen Blumenarten herstellen? Was verrät der oft so bildhafte Name? Welcher Pflanzengeist könnte sich hinter oder in den verschiedenen Blütenformen und Farben verbergen? "Du bist eine blauviolette Glocke", heißt es bei Friederike Mayröcker.

Überhaupt - wie sieht ein Blumenleben aus, das des Doldigen Milchsterns beispielsweise, den Erika Burkart in den Blick rückt: "Wie lange noch leben? / Am äußersten Rand eines Felds". In Marie Luise Kaschnitz’ Gedicht beschließen die Tulpen im Mai "den Mänaden gleich" ihren Lebenskreis: "Bis ihr also wild hinübergeht / Sonne, Mond und Sternen aufgetan". Was gibt Blumen ihre Ausstrahlung, so dass sie mit ihrer Lebendigkeit anstecken, wenn wir sie betrachten, an ihnen schnuppern, uns an ihnen erfreuen oder sie in ihrer Heilkraft erfahren?

Auch Erich Kästners Personifikation der Fuchsien mag zu solchen Fragen anregen: "Wir tanzen Ballett, daß die Röckchen fliegen, / die weißen und rosa Röckchen aus Tüll." Dieser Leichtigkeit steht Ingeborg Bachmanns "Gewitter der Rosen" gegenüber, dessen Macht kaum zu entkommen ist.