Karl Krolow

Das poetische Gedächtnis

"Überall gelangt man rasch ans Ende der Welt" (Karl Krolow) -
oder Gedichte schreiben gegen Verlust und Verschwinden

Das Oeuvre Karl Krolows ist umfangreich. 1943 erschien der schmale Debutband "Hochgelobtes gutes Leben", an den sich ab 1948 regelmäßige Publikationen anschlossen.

Der 1915 in Hannover geborene Autor schrieb bis kurz vor seinem Tod 1999 Gedichte, übertrug französische Lyrik ins Deutsche und veröffentlichte zahlreiche Rezensionen und Essays zur Literatur.

Auch in seinem "Poetischen Tagebuch" (1964/65) notierte er nicht nur Beobachtungen zu Natur und Jahresverlauf, sondern reflektierte das Dichten generell, das eigene Schreiben im Besonderen.

Zuhause im Literaturbetrieb

1951 trat Karl Krolow dem PEN-Club bei und war seit 1962 Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München. Ab 1966 übernahm der Dichter mehrfach das Vize- und Präsidentenamt der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt, wo er seit 1956 lebte.

Vielfach geehrt – im Alter von 41 Jahren bereits mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet – hielt Krolow 1960/61 nach Ingeborg Bachmann und Marie Luise Kaschnitz die dritten Frankfurter Poetik-Vorlesungen. Er widmete sie – im Sinn einer Bestandsaufnahme - der damals zeitgenössischen deutschen Lyrik.

Naturmagische Dichtung und Surrealismus

Die beiden naturmagischen Dichter Wilhelm Lehmann und Oskar Loerke wurden Karl Krolow zwar 1935 zum Vorbild. Doch ihre an Goethe orientierte Auffassung geheimnisvoll waltender Naturkräfte ließen ihn bald neue Wege einschlagen.

Der zunächst "unerschöpflich scheinende Stoff, die Natur", so Krolow, führe nur zu einer Automatisierung einzelner Motive, die sich in zunehmender Detailfülle erschöpften. Obgleich das Naturthema für seine Gedichte bestimmend blieb, gab er darin auch den Menschen Raum. In den Gedichten ist ihr Eingreifen in die Natur bis hin zur Zerstörung einbezogen.

Karl Krolow und sein Begriff der "Heiterkeit"

Dennoch war der Begriff der "Heiterkeit" für Krolow maßgebend. Sie liegt in der Transparenz und scheinbaren Flüchtigkeit seiner Gedichte. Krolow befreite die Texte von Stofflichkeit. Seine Beschäftigung mit französischer und spanischer Literatur hatten ihn mit dem Surrealismus in Kontakt gebracht. In Folge begann Krolow lyrische Motive einem Traumgebilde ähnlich zu verknüpfen.

Er bezog jedoch mathematische Größen, Elemente lyrikferner Bereiche ein, um zugleich Distanz zu wahren, zu beobachten. Seine dichterische Absicht lag darin, einen Augenblick, noch bevor er wieder aufgelöst war,  als "eine Art lebendigen Kunstwerks" festzuhalten.

Das poetische Gedächtnis als Voraussetzung des Schreibens

Karl Krolow war nach eigener Aussage "ein rascher Arbeiter". Es ging ihm nicht nur um das schnelle "Ergreifen einer Möglichkeit", der Zugriff selbst war entscheidend: "wie man etwas in den 'Griff' bekommt, in eine kontrollierte geistige oder sensible Aktion." Mehr noch als Inspiration, sei es ein "Training", dem sich jeder, der Gedichte schreibt, unaufhörlich unterziehe.

Dem Dichter spricht Krolow generell ein auswählendes Gedächtnis zu. Es ist eines der Sinne, das in der Erinnerung eines individuellen Wahrnehmungsreizes die gesamte Jahreszeit fassen kann. Es braucht nicht Vollständigkeit, sondern Genauigkeit:

"Das poetische Gedächtnis [...] arbeitet nach Art der Schmetterlingssammler: es spießt – Stück um Stück – die Einzelheit auf, die Winzigkeit, den Augen-Blick im wörtlichen Verstande. Es ist die subtile Genauigkeit der Lupe, die hier erreicht wird, die scharfe, unbarmherzige des Brennglases, unter dem sich der Gegenstand entzündet und in Flammen aufgeht." [Karl Krolow: „Ein Gedicht entsteht“. Suhrkamp Verlag. Frankfurt am Main 1973. S. 139]

"Lyrik-Training" in der Schreibnacht

Die Literatur-Schreibnacht kann also ganz im Sinn Karl Krolows zur "Trainingsstunde" werden :-) Wenn Sie aus Ihren Texten Stoffballast abwerfen und Ihr poetisches Gedächtnis als Ort erinnerter Farben, Düfte und Klänge für eine essentielle Aussage aktivieren wollen, erhalten Sie in dieser Schreibnacht vielfältige Anregungen.

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