Marie Luise Kaschnitz

Der poetische Blick auf die Wirklichkeit

Zwei Schlüsselsätze der Dichterin Marie Luise Kaschnitz dienen als Motto der Literatur-Schreibnacht. "Baustelle unterirdisch / Licht", mit diesen Worten zeigt sich die Dichterin auch in Lebenskrisen offen für die Herausforderung. Der zweite Ausspruch leitet ihr Schreiben und kann zugleich zur Aufforderung an Sie werden: "Ich war an meine Zeit gebunden und hatte die Botschaften weiterzugeben, die ich von meinen Zeitgenossen empfing."

Drei lyrische Schaffensphasen im Werk der Kaschnitz

Das lyrische Werk von Marie Luise Kaschnitz gliedert sich in unterschiedliche Schaffensphasen. Soweit für die Schreibnacht nötig, schließen sich Erläuterungen zu den Lebenshintergründen der Dichterin an. In drei Stufen erfahren Sie die Entwicklung

  • vom zunächst noch konventionellen Frühwerk in Reimvers und den oft groß angelegten Natur- oder Kunstthemen
  • zu den Texten, die für Marie Luise Kaschnitz charakteristisch sind: mit jäh abbrechenden Versen. Dann mit kontrovers gesetzten Bildmotiven und Gedankenfetzen. Oder mit Zeilen, die mehr über das Ausgesparte sprechen und beim Lesen zur eigenen Ergänzung dieser Leerstellen auffordern.
  • Die späten Gedichte gelten schließlich als "radikaler" Schritt der Lyrikerin. Sie reduziert ihre Texte auf das Unerlässliche und lockert alle Struktur. Das ergibt einerseits formelhafte Kürze. Andererseits entstehen lange Gedichte mit Zeilen, die in sich lose und vor allem widersprüchlich gesetzt sind. Für Kaschnitz erwachsen diese Gedichte "aus Erfahrungssplittern ohne logischen Zusammenhang […]."

Zwei entscheidende Einschnitte im Leben der Marie Luise Kaschnitz

Die Grundgegebenheit unsicherer Existenz, die Angst, ausgeschlossen zu sein, Leben und Tod oder Tod und Liebe sind die zentralen Themen in Kaschnitz' Dichtung. Hier sieht sich das lyrische Ich im Bezug zur Welt.

Herrscht in den frühen Gedichten noch eine schöpferische Ordnung, die Gut und Böse ausgleichen kann, so zerbricht dieser Geborgenheitsrahmen. Zwei biografische Einschnitte sind dafür mit ausschlaggebend: 1946 ist es die Rückkehr der Dichterin in das völlig zerstörte Frankfurt, 1958 der Tod ihres Mannes Guido. Beide Erfahrungen führen zu einer jeweils neuen Ausrichtung ihres Schreibens. Es ist die Ablösung aus dem Vertrauten, das Wagnis, ins Ungesicherte zu gehen - auch über das eigene Ich hinaus.

Kein Zauberspruch mehr, sondern Credo für eine bessere Welt

1974 stirbt Marie Luise Kaschnitz in Rom. Im zwei Jahre zuvor erschienenen Gedichtband "Kein Zauberspruch" gibt es keine tröstende Harmonie mehr. Konnte bis in die 1950er Jahre eine gelungene Verszeile für die Dichterin noch die Welt verbessern und in bedrängten Zeiten Trost spenden, so fordert Kaschnitz nun ernüchtert von der Kunst das Engagement für die Wirklichkeit. Eine aufmerksamere Welt sei die bessere, lautet ihr künstlerisches wie politisches Credo.

Die Bahnen eines Ichs und die der Welt verlaufen in den früheren Gedichten parallel. In den späten Texten ist dieses Ich Teil der Wirklichkeit. Dabei spricht nicht nur das Ich zur Welt, sondern auch die Welt zum Ich. Der Stoff ändert sich, den die Dichterin verarbeitet: Sie bezieht aktuelle politische Ereignisse in konkreter Nennung ein. Marie Luise Kaschnitz "hat sich", so ihre Biografin Elsbeth Pulver, "von Jahr zu Jahr näher an ihre Zeit herangeschrieben".

Verankern Sie auch Ihr Dichten in der Wirklichkeit!

Diesen weiten Entwicklungsbogen von Marie Luise Kaschnitz nachzuvollziehen und für das eigene Schreiben fruchtbar zu machen, ist das Abenteuer und die Herausforderung dieser Literatur-Schreibnacht. Wenn Sie Ihr eigenes Dichten auf Aktualität überprüfen und sich Mut holen möchten für einen Schritt über das derzeitige Ich hinaus - für "ein Wort weiter", wie es bei Kaschnitz heißt -, dann gibt Ihnen diese Literaturschreibnacht hilfreiche Impulse.

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