Naturgedichte

Gegen das Klischee der Jahreszeiten anschreiben ⋅ Lyrikkurs online

"da stürzen Lüfte sich zuhauf / von Silberseen umwellt" (Friederike Mayröcker)

Naturlyrik schreiben - das geschieht auf vielerlei Art. Unterschiedlich ist der  Stil, die Wahl des Themas oder der Blickwinkel. Häufig wird dabei die Natur zum Erlebnisraum. Sie verhilft dem lyrischen Ich  - ob religiös oder spirituell - zur kosmischen Einbindung seines Menschen-Daseins.

Idyllisch oder bedrohlich spiegeln so Sonnenaufgang, Mondschein und Unwetter die inneren Gefühlswelten. Dadurch geht die Naturlyrik teils in das Genre der Liebesgedichte über. Bangen und Hoffen sind mehr oder weniger pauschal an den Sternenhimmel projiziert. Kahle Äste, aufgebrochene Erde stehen dagegen für die Schattenseite von Kummer, Abschied und Tod. Das kann, aber muss nicht der Zugang sein, wie Sie Naturlyrik schreiben.

Naturmagischer Fluchtraum contra Umweltbewusstsein

1945, als die Dichtung einen Neubeginn suchte, war es ein Fluchtraum, den die Motive aus Wald und Wiese, Vogelgesang und Landschaft bereit hielten. Naturmagisch schrieben Dichter wie Wilhelm Lehmann oder Werner Bergengrün. Sie wollten - fern aller Gesellschaft und Politik - eine Brücke in die Vergangenheit bauen, die den jähen Schaffensbruch kitten sollte, den der Weltkrieg und Nationalsozialismus verursacht hatten.

Konträr zu dieser heilen Weltauffassung nutzten Bert Brecht wie auch später Hans Magnus Enzensberger den Naturbezug gerade zur kritischen Spiegelung sozialer Verhältnisse. "Wald- und Wiesengedichte" nannte Peter Rühmkorf in seinen Parodien manche Naturidylle seiner Dichterkollegen. Auch Gottfried Benn hatte schon zuvor über immer wiederkehrende Sonnenuntergänge geklagt, in denen sich kein poetischer Sinn vertiefe. Mit der zunehmenden Zerstörung des Naturraums schärfte sich das Umweltbewusstsein. Eine zunehmend kritische Ausrichtung der Naturgedichte war die Folge.

Zeitgemäße Naturlyrik schreiben

Jahreszeiten, Landschaften, Blumen und Bäume - im jahrhundertelangen Gebrauch sind viele Motive der Naturlyrik zum Klischee verkommen. Die viertägige Online-Werkstatt thematisiert am Beispiel moderner Naturgedichte nicht nur die unterschiedlichen Spielarten der Gattung, sondern gibt vor allem Impulse für ein zeitgemäßes und originelles Schreiben.

Nicht nur das Verhältnis von Mensch und Natur rückt in den Blick, sondern auch die Bedeutung der Natur für das Dichten allgemein. Eine Menge Lyriker/innen sorgen dafür, dass Sie im Online-Kurs eine breite Palette von Gedichten als Beispiele studieren können: Marie Luise Kaschnitz, Christine Lavant, H. C. Artmann und Johannes Bobrowski sind genauso vertreten wie Thomas Kling, Jan Wagner, Sarah Kirsch, Silke Scheuermann und Marion Poschmann. Sie alle führen in einem spannenden Bogen die Vielseitigkeit des Naturthemas vor Augen.

Annette von Droste-Hülshoff als Ahnfrau moderner weiblicher Naturlyrik

Deutlich wird dabei auch das Spannungsverhältnis zwischen männlich und weiblich orientierter Naturlyrik. Während sich die Dichter lange Zeit gerne den Himmelsraum vorbehielten und dieser kosmischen Weite die gewohnt duldsame und aufopfernde Natur erdnah zugeordnet sahen, setzten sich die Naturdichterinnen spätestens Mitte des 20. Jahrhunderts dagegen zur Wehr.

Annette von Droste-Hülshoff hatte Ende des 19. Jahrhunderts als Ahnfrau der modernen Lyrikerinnen begonnen, die restaurative weibliche Sicht innerhalb der Naturdichtung bewusst zu machen. Im Anprangern der immer weiter um sich greifenden Zerstörung der Umwelt artikulierten die späteren Lyrikerinnen nun auch die eigene Verletztheit und Unterdrückung.

Naturlyrik schreiben und dabei neue Perspektiven des Dichtens erkunden

Indem Sie den Wissensstoff der Unterlagen mit der vielschichtigen Schreibpraxis verbinden, setzen Sie sich intensiv mit der Naturlyrik auseinander. Das ausführliche Lyriklektorat aller im Kurs entstandenen Texte und der Austausch mit Ihren Dichterkolleg/innen vertiefen diesen Prozess. Lesen Sie gerne nach, welche Kurserfahrung frühere Teilnehmer/innen machten.

In Stichpunkten zusammengefasst, sehen Sie hier nochmals die vier wesentlichen Lernziele des Lyrikkurses:

  • Sie nutzen Naturmotive, um über eine bloße Idylle hinauszugehen.
  • Mit poetischen Verfahren setzen Sie gängigen Motiven unverbrauchte Bilder entgegen.
  • Ihre Naturwahrnehmung sensibilisiert sich und Sie erweitern Ihre Ausdrucksmöglichkeiten.
  • Sie lernen unterschiedliche Ausprägungen der Naturlyrik kennen und bereichern auf dieser Basis Ihren Schreibstil.

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