"Mit Links zur Lyrik" - viele Wörter und ein neuer Adventskalender

Newsletter Nr. 49 | Dezember 2020

Liebe Leserinnen und Leser,

Wörter gehen verloren, sie können einwandern, fremd bleiben, total verrückt sein oder scheinbar unbedeutend. Wie auch immer - es sind erstaunliche Sprachschätze zu heben. Selbst das so schlichte Bindewörtchen und hält (nicht nur) für Dichterinnen und Dichter eine Überraschung bereit.

Lassen Sie sich mit Hinweisen und Buchtipps - auch für Kinder - in unterschiedliche Wortwelten entführen. Wie Sie von dort weiter in literarische Welten gelangen können, zeigt Ihnen der neue Adventskalender. Ich freue mich jedenfalls, dass ich meine Worte nach langer Pause für den Newsletter wiedergefunden habe.

Viel Spaß bei der Lektüre und natürlich beim Öffnen der Kalenderfensterchen!
Ihre Michaela Didyk



Mit Links zur Lyrik - der neue Adventskalender

Ein Wegweiser für Neugierige

Mit links zur Lyrik kommen, wenn das so einfach wäre! Der neue Wegweiser will Ihnen daher mit Links einige Stationen vorstellen, an denen Sie sich Anregungen holen können. Die 24 Fenster des neuen Adventskalenders geben den Blick frei auf Plattformen, Websites und literarische Einrichtungen.

Sie können nach Wettbewerben (auch für Ihren Nachwuchs) suchen, Ihr Wissen zum poetischen Handwerk erweitern, über Leben und Werk Ihrer Lieblingsdichter/innen recherchieren oder bei Werkstattgesprächen zuhören. Vielleicht möchten Sie Ihre Gedichte in einem selbstgemachten Leporello bei der eigenen Lesung auslegen, denken sogar an ein Künstlerbuch oder Poesievideo? Seien Sie neugierig, eine bunte Mischung wartet auf Sie und bleibt über den Advent hinaus bestehen.

PS: Sie wollen morgens und abends ein Fensterchen öffnen? Der bisherige lyrische Adventskalender mit 24 Gedichten ist hier aufzurufen.


Das Wörtchen "und" ganz groß

Fülle, nur bedingt Füllwort

"und weiß und Schnee und mitten im Sommer / Papptellers Spuren und Wischtuch Kufen und Tassenrand", Friederike Mayröcker macht es vor, wie das Wörtchen und eine Wahrnehmung an die andere reiht und dabei assoziativ das poetische Bild aufbaut. Auch Friedrich Schiller kennt das Prinzip: "Und es wallet und siedet und brauset und zischt". Er verbindet Verben mit der Konjunktion und steigert dramatisch das Tosen und Brausen des Meeres. Welche Heldentat des Tauchers wird hier vorbereitet, wenn er in diesem wild wogenden Abgrund den Goldbecher finden soll!

Ein drittes Beispiel: Rainer Maria Rilke lässt in der Wiederholung der Zeile "und dann und wann ein weißer Elefant" ganz beiläufig das immerwährende Kreisen nicht nur des Karussells im Jardin du Luxembourg anklingen. Und hat es also in der Lyrik zu etwas gebracht. Unter dem Namen Vielverbundenheit, ja Polysyndeton, hat es sich unter den Stilmitteln einen angesehenen Platz verschafft. Es schenkt Fülle. In dieser Rolle will es mit Wirkung gesetzt werden: drei Buchstaben mit Gewicht.

Im Alltag verknüpft das Wörtchen oft den Erinnerungsfaden, wenn wir ein Erlebnis erzählen. Kinder lieben es und spinnen damit ihre fantasievollen Geschichten. Was wären schließlich die Märchen ohne ihr und, wenn sie damit nicht bis zum Ende ihrer Tage lebten und die kleine Zuhörerschaft zu Fragen animierten. Ohne und würde unsere Sprache recht karg aussehen: "er kam, sah, siegte", klingt pointiert, aber auch nüchtern. Wie mancher Text in der Schriftsprache, für die zu viele und verpönt sind. Vor allem am Satzanfang gilt das Wörtchen als Füllsel.

Kerstin Preiwuß widmet sich dem Thema und, überhaupt den kleinen Wörtern von A bis Z einschließlich der Satzzeichen. Ihr erkenntnisreiches Bändchen "Das Komma und das Und" macht die Lyrikerin zu einer "Liebeserklärung an die Sprache" - zu Recht.


Die aktuellen Kurstermine im Dezember und Januar

- und ein Klassiker mit anhaltendem Erfolg

Lyrik auf Alltags-Kurs - jeweils am Monatsersten
Ein 30-Tage-Programm für fokussierte Wahrnehmung und Schreibkontinuität mit täglicher E-Mail
Was bisherige Teilnehmer/innen zum Kurs sagen, lesen Sie hier.


Ein Bücherbazar für besondere Wörter

Geschenkideen für Kinder und Erwachsene

Eingewanderte Wörter

Dass das Wort Böfflamott (Rindfleisch nach der Mode) für mich als Kind ein Zauberwort meiner Großmutter war, hatte ich glatt vergessen. Die aztekische Götternahrung xocolatl als Grundzutat der heißgeliebten Mousse au Chocolat kenne ich aus meiner Beschäftigung mit den Kulturen Südamerikas. Doch das Wort Hängematte, das so eindeutig deutschen Urspungs zu sein scheint, hätten Sie es gewusst? Es ist vor gut 500 Jahren mit Kolumbus aus Haiti nach Europa gelangt. hamaca nannten die Eingeborenen ihre Schlafnetze, die von nun an den Matrosen als Schlafstatt dienten.

"Eingewanderte Wörter" heißt der von Jutta Limbach herausgegebene Geschenkband mit den Illustrationen von Marie Marcks. Mit Erläuterungen, Geschichten und Gedichten zeigen die einzelnen Begriffe, wie vielfältig der Austausch und die Durchmischung der Sprache sind. Präsentiert wird eine Auswahl der schönsten Beiträge zum internationalen Wettbewerb 'Wörter mit Migrationshintergrund – das beste eingewanderte Wort'.

Unübersetzbare Wörter

Auch "Lost in Translation" widmet sich fremden Wörtern. Es sind die unübersetzbaren, die ihr Eigenleben behalten. Ella Frances Sanders sieht darin die Chance, im unbekannt lautenden Wort den Kulturraum zu erspüren, und gibt zu jedem Begriff eine umschreibende Übersetzung mit humorvoller Illustration.

Brechen Sie zu einer Reise auf, bei der das Erlebnis, nicht das Ziel im Vordergrund steht, dann könnten Sie es in Zukunft spanisch vacilando taufen. Wenn Sie gerne ziellos nur in die Ferne schauen, nennen Sie es einfach wie in Japan Boketto. Die Bücher, die Sie dabei ungelesen lassen, um sie schließlich auf dem schon meterhoch aufragenden Stapel abzulegen, das erledigt sich ebenfalls japanisch mit einem Wort: Tsundoku.

Nicola Edwards erzählt Kindern Geschichten zu "Total verrückte[n] Wörter[n]". Bei ihr geht es mit 29 unübersetzbaren Begriffen ebenfalls rund um die Welt. Der frühe Kuckucksmorgen oder schwedisch Gökotta lässt einen früh aufstehen, damit man die ersten Vögel hören kann. Murr-Ma sagen die Wagiman-Aborigines und geben damit kund, dass sie durch das Wasser laufen und dabei etwas nur mit den Füßen suchen. Ob solche noch unübersetzbaren Wörter irgendwann in die deutsche Sprache einwandern? Vermutlich nicht so schnell. Aber sie lassen in der Sprache auch andere Lebenssituationen und Traditionen erkennen, die den eigenen Horizont weiten.

Versunkene Wortschätze

"Versunkene Wortschätze Österreich[s]" kommen in dem gleichnamigen Band wieder ans Licht. Die Rettungsaktion der Dudenredaktion stellt viele der bildhaften und klangvollen Wörter zusammen. In diesem Lexikon lässt es sich im Strecksessel (Liegestuhl) bequem blättern, vor allem wenn Kracherl (Sprudel oder Limonade, die beim Öffnen der Flasche krachen) und Platzke (Fladen aus Kartoffeln und Mehl) daneben stehen.

Die verlorenen Wörter

Wie wichtig es ist, gefährdete Wörter im Auge zu behalten, macht der bekannte Autor des Nature Writing, Robert Macfarlane, deutlich, dessen Buch "Die verlorenen Wörter" inzwischen zum festen Bestand britischer Bibliotheken gehört. Macfarlane sieht seinen zusammen mit der Illustratorin Jackie Morris gestalteten Band als ein Buch der Beschwörungen. Denn mit dem Veschwinden der Wörter, gehe gleichzeitig die Aufmerksamkeit und Wertschätzung der Dinge verloren:

"Es waren einmal Wörter, die sich herausschlichen aus der Sprache der Kinder. Sie verschwanden so leise, dass es kaum jemandem auffiel – ein Verdunsten wie von Wasser auf Stein. Es waren Wörter, mit denen Kinder die Natur um sich herum benannt hatten: Blauglöckchen, Brombeere, Eichel, Eisvogel, Farn, Heide – dahin!" schreibt der Autor im Vorspann.

Die Lyrikerin Daniela Seel hat die Texte feinfühlig übertragen. Ob im englischen Original oder in der deutschen Ausgabe der Reihe Naturkunden - der im Format eines Bildbandes erschienene Titel lässt nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene nach vertrauten und doch fast schon verschollenen Schätzen suchen.


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Verantwortlich im Sinn des Presserechts: Michaela Didyk M.A.

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