Welttag des Buches & die Aufmerksamkeit gegenüber Fremdem

Newsletter | April 2008

Liebe Leserinnen und Leser,

der Welttag des Buches wurde von der UNESCO mit Blick auf den Todestag von Shakespeare und Cervantes am 23. April eingeführt. Der Gedenktag steht heuer im Zeichen des Internationalen Jahres der Sprache. Und der Begriff Sprache ganz allgemein genommen hat viele Facetten: Auch Bilder sprechen und haben etwas zu sagen.

In seinem Fotoprojekt "The Diagonal Mirror" wirft der in Basel lebende Künstler Martin Zeller einen ungewöhnlichen Blick auf Hongkong. Er nimmt auf die Tradition chinesischer Malerei Bezug, die keinen Horizont und Fluchtpunkt kennt. So stellt er eine spannende Verbindung östlicher und westlicher, alter und neuer Kultur her.

Die Begegnung mit Fremdem fordert besondere Aufmerksamkeit. Um diese geht es immer wieder in den folgenden Beiträgen.

Viel Spaß bei Ihrer Lektüre im sonnigen, grünen Mai wünscht Ihnen
Ihre
Michaela Didyk



Literaturhaus Basel: "The Diagonal Mirror" von Martin Zeller

In extremen Hoch- und Querformaten fotografiert Martin Zeller (*1962 in Mannheim) die urbane Landschaft Hongkongs und platziert diese Ausschnitte in diagonaler Überschneidung an der Wand.

Nicht der Glanz der Stadt sind das Sujet seiner Fotoarbeiten, sondern die Nacht, die Ränder. Alte Wohnviertel oder städtebauliche Entwicklungszonen ehemals traditioneller Lebensräume werden zum Motiv. Die Häuser und Straßen sind voller Details, doch sie scheinen dem Raum enthoben.

Das am gängigen Bildrechteck ausgerichtete Auge des Betrachters findet keinen sicheren Einstieg: Es fehlt nicht nur der ideale Blickwinkel, auch die gewohnte Dominanz des Bildes löst sich auf. Der umgebende Ausstellungsraum ist gleichwertig geworden und bezieht reflektierend die Position des Schauenden ein.

Buchpräsentation im Literaturhaus Basel mit hochkarätiger Diskussionsrunde

Der soeben erschienene Katalog "The Diagonal Mirror" [Amazon-Link] umfasst die fotografischen Arbeiten von Martin Zellers Hongkong-Projekt aus den Jahren 2004 bis 2007. Der Bildband wird am Freitag, 25. April, 19 Uhr, im Literaturhaus Basel vorgestellt.

Eine hochkarätige Lesungs- und Gesprächsrunde kommt zusammen: Wolfgang Kubin ist Übersetzer und Lyriker sowie Hochschulleher für Sinologie in Bonn. Leung Ping-kwan schreibt ebenfalls Lyrik und ist Professor  für Chinesische Literatur- und Filmgeschichte in Hongkong. Heinz Stahlhut schließt sich als Sammlungsleiter für Bildende Kunst an der Berlinischen Galerie / Landesmuseum für Moderne Kunst an.

Alle drei Gesprächspartner haben Essays zum Katalog beigesteuert und diskutieren mit dem Künstler über Hongkong als "eine der faszinierendsten Metropolen der Welt". Zudem lesen Wolfgang Kubin und Leung Ping-kwan aus ihrem literarischen Werk.


Ilse und Pierre Garniers "Raumpoesie"

Den gewohnten Blick fordern auch Ilse und Pierre Garnier (*1927 bzw. 1928) mit ihrer Dichtung heraus. Losgelöst von der Linearität erschaffen sie mit Worten, mit Buchstaben lyrische Bildräume. Mit ihrer "Poésie spatiale / Raumpoesie" [Amazon-Link] gehören das Künstler-Ehepaar zur Avantgarde der französischen Gegenwartsliteratur.

Die Sprache als lebendiger, mit Energie geladener Organismus

Die Strömungen der Konkreten Poesie, die teilweise noch in der strengen Anordnung von Wortkolonnen spürbar ist, führen Ilse und Pierre Garnier ab Mitte der 60er in frei fließende Raumkunst über. Dadurch entstehen Rhythmen, Verdichtungen, Leerräume.

Die "präzise Mechanik" einer konkreten Poesievorstellung gilt nicht mehr uneingeschränkt. Vielmehr wird die Sprache zu einem "lebendigen, mit Energie geladenen Organismus". Die spontanen Bewegungen der Hand, die Geschwindigkeit der Finger oder die Verzögerung durch Schreibmaschinentasten (zumindest in den 1960er Jahren) machen das Dichten zur "actionpoetry". Die Schreibaktion befreit das Wort aus der geschlossenen Struktur.

Der leere Raum der Dichtung

Zunehmend wandeln sich später Bild und Wort zu fragilen Kompositionen. Die Andeutung und Selbstgenügsamkeit weniger Striche und Worte nimmt zu. Der leere Raum und die Dimensionen, aus denen Dichtung entsteht, vermitteln sich in der Weite solcher Anordnung. Hinzugefügte Zitate lenken vorsichtig Assoziationen, werfen ihre Anker aus, so dass sich filigrane Bezüge für Geschichten, Geschichtsräume ergeben.


"Bayern liest kroatisch" | Lesungsprojekt

 
» Im Literaturhaus München
Auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse stand die Literaturlandschaft Kroatien im Mittelpunkt. Zwischen den Kulturen Südosteuropas nimmt sie eine wichtige Vermittlerrolle ein.

Über das Rampenlicht der Buchmesse hinaus will man die Kontakte vertiefen. Ein langfristig angelegtes Projekt soll den Austausch zwischen der kroatischen und bayerischen Literaturszene anregen. Mit drei Veranstaltungen startet "Bayern liest kroatisch" nun im April in München. Zwei Abende sind im Literaturhaus München dem Romanwerk kroatischer Autor/innen und ihren Kolleg/innen aus Bayern gewidmet.


» Im Lyrik-Kabinett
Andriana Škuncas Gedichte - die Autorin ist auch auf lyrikline zu hören - haben die landschaftliche Schroffheit und Kargheit der Adria-Insel Pag zum Thema. Dort verbrachte Škunca ihre Kindheit und lebt auch jetzt noch einen großen Teil des Jahres dort. Mit ihren Prosagedichten nimmt sie in der zeitgenössischen kroatischen Literatur eine wichtige Stellung ein.

In Delimir Resickis Lyrik - ebenfalls auf lyrikline präsent - öffnet sich der Raum traditionsreicher Stadtkultur und ihrer vielfältigen Vernetzung. Seine Texte sind in zwölf Sprachen übersetzt, sein Gedichtband "Arrhythmie" [Amazon-Link] ist 2008 in der Edition Korrespondenzen erschienen.


Dauerausstellung in Solingen: "Die verbrannten Dichter"

Im Mai 1933 loderten in zahlreichen deutschen Städten die Scheiterhaufen der Bücherverbrennung. Erst 1977 hat der Hamburger Publizist Jürgen Serke mit seinem Buch "Die verbrannten Dichter" [Amazon-Link] die NS-verfemten Künstler wieder ins Gedächtnis zurückgeholt.

Erstausgaben, Manuskripte, Briefe und Fotos, die Serke zu einer bedeutenden Sammlung zusammengetragen hat, sind seit Ende März nun in einem Kernbestand als Dauerausstellung im Solinger Museum Baden zu sehen. Bilder "entarteter" Künstler ergänzen die Literatur-Dokumentation und machen das Museum zum Erinnerungsort für die ausgelöschte Generation.

Zur Dauerausstellung gibt es den Katalog "Himmel und Hölle zwischen 1918-1989" [Amazon-Link], der die ausgestellten Objekte der Sammlung aufbereitet und erläutert.


Sie empfehlen den Unternehmen Lyrik | Newsletter weiter? Vielen Dank!


Verantwortlich im Sinn des Presserechts: Michaela Didyk M.A.

  • <link kontakt impressum _blank>Impressum
  • <link kontakt datenschutz _blank>Datenschutz, speziell zum <link kontakt datenschutz _blank>Partnerprogramm mit Amazon