Bäume, Schnee und Winterreisen

Newsletter | Dezember 2011

Liebe Leserinnen und Leser,

im Newsletter hält heute der Winter Einzug. Nicht nur dass Sie am 20. Dezember zum Jahresabschluss noch einmal  beGEISTert "Winterlieder rund ums Träumen" dichten können und Sie der spezielle E-Mail-Kurs zum "Schreiben in den Raunächten" einlädt - es gibt auch eine Winterreise durch die Kunstgeschichte. Überhaupt ist die Natur heute ins Zentrum gerückt, im Kontext der Literatur und Kunst, das versteht sich. Vielleicht finden Sie so auch das eine oder andere Buch, um Ihre Lektüreliste zu ergänzen.

Ein kurzer Ausblick auf 2012

Einige Ankündigungen füge ich gleich zu Beginn dazu: Die aktuelle Monatsgedicht-Runde  - die Lektorin und Germanistin Katrin Greiner (Halle) ist Jurorin - hat "Kino und Film" zum Thema. 
Außerdem wird es 2012 weitere spannende Lyrikprojekte geben. Unter anderem steht Margrit Manz, vordem Intendantin im Literaturhaus Basel, am 2. bis 3. März als Referentin zur Verfügung. Unter dem Motto "Auf der Suche nach Nischen und Neuland. Der Literaturbetrieb - eine Landschaft, die Orientierung braucht" hält sie in Berlin das Auftakt-Seminar zu einer neuen Kursserie von Unternehmen Lyrik, die der Profilierung von Autor/innen dient. Sie erfahren hierzu Ende des Jahres mehr. 
Einen Überblick über das Lyrikprogramm von Januar bis April 2012 können Sie bereits herunterladen.

Eine lichte Adventszeit mit besinnlichen Lektüre-Stunden wünscht Ihnen
Ihre

Michaela Didyk



Weihnachten, Wintersonnenwende und die "Wilde Zeit" der Raunächte

Wintersonnenwende, Julfest und die sich anschließenden Raunächte lassen in ihren Namen noch die archetypischen  Wurzeln erahnen, die der Zeit zwischen Weihnachten und den Dreikönigsfest zugrunde liegen. Der Weltenbaum als Lebensbaum gewinnt seine besondere Bedeutung.

Nach dem Ethnobotaniker Christian Rätsch werden Tannen als Weihnachtsbäume 1419 zum ersten Mal im Freiburger Raum erwähnt. Doch die Anfänge des Weihnachtsbaumes muten eher wie Ironie an. Denn bis dato war das Schlagen und Aufstellen der Bäume als heidnischer Brauch verpönt oder sogar verboten. Zu sehr erinnerten gerade Tannen und Fichten mit ihren immergrünen Zweigen an den Weltenbaum, der Himmel und Erde verband. So begann man wie üblich, die tief verwurzelten Bräuche umzudeuten und mit christlichem Sinn aufzufüllen. 

Vom Weltenbaum zum christlichen Weihnachtsbaum

Erst in der Romantik und Biedermeierzeit verankerte sich das Bild des Tannenbaums, der zum Zentrum des Familienfestes wurde. "Der Brauch, für die Zeit vom 24. Dezember bis zum Dreikönigstag einen Baum ins Zimmer zu holen und zu schmücken, war eine deutsche Erfindung und blieb lange auf den deutschsprachigen Raum begrenzt", heißt es in Rätsch' und Claudia Müller-Ebelings Buch "Weihnachtsbaum und Blütenwunder" [Amazon-Link].

1785 erstrahlte der erste Lichterbaum in Straßburg und begann seine Siegeszüge durch Europa, bis er 1912 schließlich auch in New York, öffentlich aufgestellt, leuchtete. Rose Ausländers Gedicht "New Yorker Weihnachten" - nachzulesen in Stephan Koranyis Anthologie "Weihnachten" [Amazon-Link] - zeigt ein halbes Jahrhundert später die Kehrseite solcher Idylle: "Tannen lächeln/ elektrische Liebe."

Ein poetisches Tagebuch in den Raunächten

Gehen Sie in den Raunächten daher den archaischen Spuren nach und füllen Sie die besinnlichen Tage zugleich auch mit beGEISTertem Dichten. Der E-Mail-Kurs Schreiben in den Raunächten gibt Ihnen dazu tägliche Anregungen. Mit den Unterlagen ab 19. oder 23. Dezember in Ihrem Mailfach können Sie der geheimnisvollen Zeit zwischen den Jahren - ortsungebunden - nachspüren.

Nutzen Sie diese „Wilde Zeit“ in ihrer Öffnung zum Kosmos und im Wiederansteigen des Lichts, um lyrisch das alte Jahr Revue passieren zu lassen und neue Pläne in Angriff zu nehmen. Die 13 speziellen Schreibimpulse geben Ihnen Antrieb, damit Sie mit einem "poetischen Tagebuch für die Zukunft" inspiriert ins Jahr 2012 hinüberwechseln.


Eine Winterreise durch die Künste

Ein Wintermärchen quer durch die Kunstgeschichte können Sie noch bis 8. Januar im Wiener Kunsthistorischen Museum, danach in etwas abgewandelter Form im Kunsthaus Zürich erleben. Rund 180 Gemälde von 1450 bis in die Gegenwart zeigen Freud und Leid mit der kalten Jahreszeit.

Untergangsstimmung und Not, in die beispielsweise Napoleons Armee geriet, stehen dem Vergnügen des Schlittschuhlaufens gegenüber, von dem der Schneeballschlacht ganz zu schweigen. Ob Landschaftsbild mit auf dem Gatter thronender Elster, leuchtende Schneefelder, Monatsallegorien oder der mit Filzdecke und Fett beladene Schlitten von Joseph Beuys, der Winter ist in vielerlei Abwandlungen vertreten.

Motive, die auch in Gedichte frischen Wind bringen

In solcher Fülle öffnet sich auch für die bei den Jahreszeitengedichten oft schon verbrauchten Motive eine reiche Fundgrube. Wer für diese poetische Bildübernahme aus Malerei und Skulptur seine Schreibpraxis vertiefen möchte, hat am 19. bis 22. Februar beim online-Kurs "Transfer der Medien" dazu Gelegenheit.

Inspiration für Wintergedichte erhalten Sie zudem in der letzten schamanischen Schreibnacht dieses Jahres am 20. Dezember. Schneegedichte warten dann nochmals im Januar auf Sie. Einen Vorgeschmack bietet Ihnen dafür die jüngst erschienene gleichnamige Anthologie [Amazon-Link], die der Lyriker Ron Winkler zusammengestellt hat.

Eine musikalische "Winterreise" wird zum Theaterstück

Eine Winterreise ganz anderer Art hat Elfriede Jelinek [Amazon-Link] - auf dem Liederzyklus ihres Lieblingskomponisten Franz Schubert basierend - verfasst. In ihrer kompromisslos sezierenden Sprache spiegelt sie die Abgründe und den Wahnwitz unserer Gegenwart.

Doch dieser Weg durch winterliche Gefilde - in Prosa, die als Theaterstück zur Aufführung gelangt - gibt neben allen zeitaktuellen Bezügen auch den Blick auf Jelineks eigenes Leben frei. Es sei, so die Nobelpreisträgerin "ein Wandern von hinten nach vorn […] Das, was gewesen ist, auch das, was mich seit meiner Kindheit gequält hat, kommt jetzt an. Es ist lange gewandert, und nun ist es bei mir angekommen, als das Frühere, das im Ankommen geborgen wäre, wenn Literatur Psychoanalyse sein könnte, was sie aber nicht ist."

Mehr Details erfahren Sie auch in der Rezension von Günter Ott.


Werkstätten & Online-Kurse: Oktober 2011 bis Februar 2012

  • Starten Sie zum neuen Jahr die E-Mail-Impulse "Ein Gedicht pro Woche". Sie können bis zu einem ganzen Jahr schreiben. Die Begeisterung  der Teilnehmer/innen hat die Impulse 2011 von Quartal zu Quartal anwachsen lassen.

Baum- und Waldbücher

Nochmals zurück zu den Bäumen. Für Hermann Hesse [Amazon-Link] waren sie alle heilig. "Wer mit ihnen zu sprechen, wer ihnen zuzuhören weiß, der erfährt die Wahrheit. Sie predigen nicht Lehren und Rezepte, sie predigen, um das einzelne unbekümmert, das Urgesetz des Lebens." 

Die schwedische Schriftstellerin Kerstin Ekman lässt in ihrem rund 500 Seiten dicken Buch "Der Wald"[Amazon-Link] einen Sehnsuchtsort entstehen. Legenden, Erzählungen rund um die Jagd, die Geschichte(n) um Flora und Fauna, aber auch ihre kritischen Anmerkungen zum Kahlschlag und Verschwinden der alten Baumriesen laden zu einer literarischen Wanderung tief ins Waldesinnere ein. 

Vielleicht mag der Bildband "Bäume dieser Welt" [Amazon-Link] die Faszination veranschaulichen, mit der man diesen oft Jahrhunderte alten "Zeitzeugen" begegnet; besungen wurden sie immer wieder, wie Hartmut Vollmers Anthologie mit Waldgedichten [Amazon-Link] beweist.

Ein Baum wie Nietzsche

Hesse schienen Bäume, gerade wenn sie einsam standen, sogar mit Beethoven oder Nietzsche vergleichbar: "In ihren Wipfeln rauscht die Welt, ihre Wurzeln ruhen im Unendlichen; allein sie verlieren sich nicht darin, sondern erstreben mit aller Kraft ihres Lebens nur das Eine: ihr eigenes, in ihnen wohnendes Gesetz zu erfüllen, ihre eigene Gestalt auszubauen, sich selbst darzustellen."


"Über Bäume und Gestein" - Werke von Albert Renger-Patzsch und Ernst Jünger

Der Zugang zum Werk Ernst Jüngers (1895-1998) ist mir immer schwer gefallen. Es blieb beim Roman "Auf den Marmorklippen" aus dem Jahr 1939, die nach Jüngers Absage an den Nationalsozialismus in den 30er Jahren - sein elitäres Frühwerk schien ihn eher zum Wegbereiter zu machen - vielen als Widerstandsbuch gilt. 

Insbesondere die Trias "In Stahlgewittern" (1920), "Der Kampf als inneres Erlebnis" (1922) und "Sturm" (1923) standen jahrzehntelang in ideologiekritischem Feuer. Jüngers Aufarbeitung seiner Erfahrung im Ersten Weltkriegs konnte man durchaus als massive Verherrlichung der Gewalt verstehen. In neuerer philologischer Forschung schreibt man hier dem Autor eher ästhetische Verfahren zu, mit denen er gerade im distanzierenden Rückblick die Kälte der Kriegsmaschinerie aufzeige.

Wie auch immer, Ernst Jünger - ein Interview aus dem Jahr 1977 stellt ihn näher vor - war ein sehr genauer Beobachter, siehe seine penibel geführten Tagebücher, siehe auch seine später fast manisch betriebene Insektenforschung.

Über Bäume und Gestein - der Fotokünstler Albert Renger-Patzsch

Aus anderer Perspektive dokumentiert diese Hinwendung zur Natur eine Ausstellung in der Münchner Pinakothek der Moderne. Unter dem Titel "Über Bäume und Gestein - Albert Renger-Patzsch und Ernst Jünger" sind 30 Originale des neusachlichen Fotokünstlers Renger-Patzsch (1897-1966) zu sehen.

Bereits Ende der 20er Jahre hat Renger-Patzsch zu seinem Formrepertoire - begrenzte Bildausschnitte, Bildschärfe und betonte Oberflächenmaterialität - gefunden. In seinen beiden Werkserien "Bäume" und "Gestein" [Amazon-Links] lenkt er nun den Blick des Betrachters vom früher verdichteten Einzelbild auf die Abfolge von Bildern desselben Motivkreises.

Aus den ebenfalls gezeigten historischen Bildbänden - mit Jünger-Essays - sowie Teilen des intensiven Briefwechsels ist die enge Beziehung zwischen Albert Renger-Patzsch und dem Schriftsteller abzulesen.


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