Boogie Woogie, Walzer, Tango. Poetische Tanzeinlagen

"Aus mir braust finst're Tanzmusik" 
(Else Lasker-Schüler)

Schreibnacht online | 25. Juni 2020

Laue Sommernächte laden zum Fest mit Musik und Tanz ein. Die Juni-Schreibnacht wird zum Tanzfest, bei dem auch neue Schritte und Rythmen gefragt sind.

"1 gegenüber / 1 gegengegenüber": In Ernst Jandls Zeilen bekommt man im starken Rhythmus der sparsam gesetzten Worte Lust auf einen "boogie-woogie" - auch in den eigenen Beinen. Und nicht nur das. Man spürt genauso, was beim Tanz ganz ohne Sprache hin- und herfließen kann: "1 vis-à-vis / 1 vis-à-vis-à-vis".

Das muss sich nun nicht so heftig wie in Else Lasker-Schülers Vers "Aus mir braust finst're Tanzmusik" auswirken. Vielleicht bahnt sich der wirbelnde Schritt seinen Weg auch mit "Maaß". So schlägt es klassisch Friedrich Schiller vor.

Der Seiltanz der Dichter oder der Sprachraum einer Bewegung

Doch nicht immer schwingt das "poetische Tanzbein" so leicht. Kurt Marti richtet den Blick auf den "seiltänzer" - für Peter Rühmkorf fast ein Synonym für den Dichter und seine Existenz auf einem "Hochseil".

Wie verhält es sich überhaupt mit dem Tanz als Sprache? Oder wie ist sein Bezug zur Sprache? "Man denkt die Sprache, während man in der Sprache denkt. Man tanzt die Bewegung, während man in der Bewegung tanzt. Was tue ich, wenn ich schreibe?" reflektiert Martina Hefter und stellt in ihren Gedichten Verbindungen her: "Bausche aus Raum. / Tauch hinein, grätsche in Nester".

Für Monika Rinck verfestigt sich die Tanzbewegung im Körperbild von Knöchel und Sehne. "Hab einen sehr guten Stand. / Dann warte." Jan Wagner lässt das gemeinsame Spannen und Zusammenlegen eines Lakens zum "Wäschefoxtrott" werden: "bis schritt / um schritt ein rechteck im nächstkleineren / verschwand, bis sich die nasen fast berührten".

Der Totentanz als Kehrseite des Lebens

"Sei eingedenk, dass du sterben musst!" - der "Danse macabre" hält diese Mahnung mitten im Leben wach. Eduard Mörike lässt in seinen Versen die "Geister am Mummelsee" zum schauerlichen Reigen antreten. Neben Johann Wolfgang Goethe widmet auch Rainer Maria Rilke dem "Toten-Tanz" ein Gedicht. 


Der Tod, bei Rilke noch "rippenbetreßte[r] Tänzer", wandelt sich in Paul Celans bekannter "Todesfuge", die zunächst unter dem Titel "Todestango" erschien, zum "Meister aus Deutschland". Eine finst're Tanzmusik, anders als die Lasker-Schülers, spielt hier zum Völkermord auf. Das ursprüngliche "Memento mori" wendet sich an die Leser, den Holocaust im Gedächtnis zu halten und - eingedenk des Lebens - neues Verbrechen abzuwehren.

Auf zu Tanz und Sommerreigen!

Die Schreibnacht am 25. Juni 2020 - wie gewohnt ab 19 Uhr - zeigt Ihnen das Thema Tanz auf unterschiedliche Art. Ob Sie an diesem Donnerstag Tanzschritte in eine Schreibbewegung übersetzen, den Tanz in seiner "Körper-Sprache" erfassen oder zum Lebens-, vielleicht sogar Totentanz werden lassen - die Beispieltexte und Schreibimpulse inspirieren Sie, Ihre Tanzvorstellung(en) poetisch umzusetzen. Ich freue mich auf Ihr Kommen!

Auf der Startseite zur Schreibnacht finden Sie noch ergänzende Informationen zur Anmeldung und zum allgemeinen Veranstaltungsablauf. Zur direkten Buchung geht es gleich hier:

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